Wie können sich der/die Partner/Partnerin auf die Geburt vorbereiten? Erstens natürlich, indem sie gemeinsam den Geburtsvorbereitungskurs besuchen. Zweitens, indem sie mit anderen Eltern über deren Erfahrungen sprechen. Als Paar sollte man sehr offen miteinander reden, welche gegenseitigen Erwartungen es gibt für die Zeit im Kreißsaal, sich auch klar machen, dass man in einer ganz außergewöhnlichen Situation zusammen sein wird. Und wenn Fragen auftauchen, geht man als Paar zusammen in den Geburtsvorbereitungskurs und fragt uns Hebammen Löcher in den Bauch. Wir sind das gewohnt, gefragt, gefragt und noch mal gefragt zu werde. Aber bitte immer eher die Hebammen fragen und nicht Doktor Google. Welche Rolle spielen dabei digitale Angebote wie Online-Kurse oder Apps? Sie sind in der Qualität sehr unterschiedlich, aber sehr hilfreich, wenn zum Beispiel die Frauen keinen Kurs vor Ort finden. Oder eine Gedächtnisstütze, wenn die Schwangere Übungen zu Hause wiederholen möchte. Bei der Auswahl ist es am besten, die Hebamme zu fragen. Was raten Sie bei der Wahl des Geburtsorts – Hausgeburt, Geburtshaus oder Klinik? Die Frau sollte für sich herausfinden, was für sie Sicherheit im Zusammenhang mit der Geburt bedeutet. Nur dort, wo die Frau vertrauen kann, kann sie sich für die Geburt öffnen. Dann wird die Geburt auch unkompliziert verlaufen. Bei einer Hausgeburt weiß die Frau, dass sie sehr vertraute begleitende Personen, Hebammen und Räumlichkeiten hat. Dann gibt es Frauen, die sich erst sicher fühlen, wenn sie wissen, dass die technische Ausstattung hoch ist, rund um die Uhr ein Ärzteteam anwesend ist und es zum Beispiel auch eine Kinderklinik neben der Frauenklinik gibt. Im Zweifel hilft das persönliche Gespräch mit der Hebamme herauszufinden, welches der richtige Ort ist. Gibt es Parameter, die während der Schwangerschaft den Ausschlag geben für eine Geburt in der Klinik statt zuhause? Bei Frauen mit Bluthochdruck oder mit Diabetes, aber auch, wenn das Kind mit dem Po nach unten liegt. Bei solchen Parametern ist eine Klinikgeburt absolut empfehlenswert. Das gilt auch für Zwillinge. Was sollte parat stehen, wenn der errechnete Geburtstag näher rückt? Ungefähr vier Wochen vor dem errechneten Geburtstag sollte die Kliniktasche gepackt, der Wickeltisch eingerichtet und der Kühlschrank am besten mit viel Essen und vielleicht auch das Gefrierfach mit vorgekochtem Essen gefüllt sein. Das hilft für die Zeit nach der Geburt. Auf Ihrer Webseite zitieren Sie den berühmten Geburtshelfer Michel Odent: „Es ist nicht egal wie wir geboren werden. Die Art und Weise, wie ein Kind von der Mutter in die Welt getragen, geboren und von den Mitmenschen empfangen wird, ist prägend für sein ganzes Leben.“ Was gehört dazu, um diese Haltung in die Praxis zu tragen? Grundsätzlich gilt, achtsam zu sein. Dazu gehört auch ein tiefes Reinspüren in sich selbst, in die Beschäftigung mit sich als Frau, mit der Weiblichkeit und Fruchtbarkeit. Und natürlich gehört auch die Begleitung dazu durch Hebammen, durch Doulas, die die Schwangere dahinbringen, das Baby, auch die Gebärmutter zu spüren und ihre Körperempfindungen wahrzunehmen. Wenn eine Schwangere sich müde fühlt, sollte sie sich hinlegen. Und wenn sie mehr Spaziergänge braucht, sollte sie diese auch unternehmen. Ein Appell an die Achtsamkeit? Ja, unsere heutige Zeit ist sehr schnelllebig, oberflächlich und leistungsorientiert. Das stresst. Die Achtsamkeit stärkt die liebevolle Bindung zwischen Mutter und Kind. Gibt es eine Geburtsgeschichte, die Sie besonders berührt hat? Ja, eine war schon sehr besonders. Ich kannte die Familie, hatte die Eltern schon beim zweiten Kind begleitet. Dann war das dritte Kind unterwegs und ich nicht als Hebamme vorgesehen, da ich selbst schwanger war. Aber die betreuende Kollegin war wegen einer weiteren Geburt verhindert und ich sprang spontan ein. Nach kurzer Geburtsdauer kam das Kind mit dem Po zuerst - es hatte sich gedreht. Alles ging gut und wir konnten den Jungen sehr gut begrüßen, wir haben keine Unterstützung durch den Notdienst gebraucht. Das war eine besondere Geburt, da die Eltern genauso wie ich zuversichtlich waren, dass wir das gemeinsam mit der Beckenendlagengeburt schaffen. Eine Ihrer Kolleginnen hat das Wochenbett mal als wunderbaren Ausnahmezustand beschrieben. Was sollten Mütter in dieser Zeit beachten? Sie sollten sich viel Ruhe gönnen, sich gut versorgen lassen. Dieser Ausnahmezustand, auch „Flitterwochen mit dem Baby“, ist geprägt von Bergen des Glücks und Täler voll Tränen. Es ist ein sehr fließender Prozess, denn alles ist im Fluss - die Milch, der Wochenfluss, die (Freuden)-Tränen. Das Wochenbett ist die Zeit, in der man sich eben kennenlernen kann, Mutter, Kind, Vater, Kind . Es ist eine Zeit, die man mit ganz wenig Terminstress erleben sollte. (kakü) Hurra, Baby unterwegs! | 5 Anja Bendel, Jahrgang 1976, stammt aus Mainz. Nach ihrem Abitur studierte sie Lehramt, wurde Mutter und entschied sich dann, Hebamme zu werden. 2007 absolvierte sie erfolgreich ihr Examen an der Hebammenschule Speyer und ist seitdem freiberuflich tätig im Rhein-Main-Gebiet als Hausgeburtshebamme und Beleghebamme. Sie hat eine Weiterbildung zur systemischen Supervisorin und Weiterbildungen in Akupunktur, Bewegungskursen und effektiven manuellen Hilfen für Schwangere und Babys. Im Jahr 2020 hat sie ihre Praxis in Dreieich geöffnet. In ihrer Freizeit geht sie gerne Tanzen und verbringt gerne Zeit mit ihren vier Kindern und auch bald einem Enkelkind. www.anja-bendel.de
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