Wie sieht es mit Aufräumen und Ordnung aus? Durch eine klare, ruhige Zonierung und bewusst eingeplanten Stauraum lernen Kinder ganz nebenbei, wie Ordnung, Struktur und Selbstständigkeit im Alltag entstehen. Nach dem Prinzip der Montessori-Pädagogik – „Hilf mir, es selbst zu tun“ – unterstützen solche Räume die Kinder darin, ihre Umgebung eigenständig zu verstehen, zu pflegen und zu orientieren. Wie lässt sich eine Wohnung flexibel an die wachsenden Bedürfnisse anpassen? Wichtig ist, Räume als Prozess zu verstehen – nicht als fertige Lösung. Kinder entwickeln sich schnell. Was heute Rückzugsraum ist, kann morgen Ritterburg oder Lesehöhle sein. Wir empfehlen modulare Möbel, stapelbare Elemente und mobile Raumteiler. Wände mit Tafellack oder Magnetfarbe können Räume verändern, ohne bauliche Maßnahmen. Mit wenig Mitteln, aber einem klaren Blick auf die Bedürfnisse der Kinder, lässt sich auch im Bestand viel erreichen. Welche Rolle spielen Ausstattung wie Möbel und auch Beleuchtung? Eine sehr große. Möbel sollten multifunktional und stabil sein – und dabei nicht dominieren. Kinder „arbeiten“ mit dem Boden, mit ihren Händen, mit Bewegung. Wir planen daher viele Bodenaktivitäten ein und achten auf eine angenehme Haptik der Materialien. Holz, Filz, Kork sind beliebt. Auch Beleuchtung wirkt stark auf das Wohlbefinden. Natürliches Licht ist ideal, aber auch künstliches Licht sollte warm, dimmbar und zoniert sein. Ein gutes Lichtkonzept unterstützt die Tagesstruktur, schafft Geborgenheit und fördert Konzentration. Die meisten Eltern sind finanziell nicht in der Lage, ein eigenes Haus zu planen. Wie sollten sie die oben angesprochenen Aspekte umsetzen? Es ist wichtig, auf Augenhöhe der Kinder zu denken, zu planen und gemeinsam umsetzen. Was sehen sie? Wo fühlen sie sich sicher? Wo können sie aktiv sein? Wichtig ist nicht das Budget, sondern die Haltung: Räume sind keine fertigen Produkte, sondern lebendige Umgebungen, die wachsen dürfen – wie Kinder selbst. Aktiv die Kinder mit einbeziehen schafft Identität und Wohlbefinden. Die Kinder fühlen sich ernst genommen und gesehen. Mit ihrem Team von baukind schaffen sie auch in Arztpraxen, dass aus Warte- und Behandlungszimmern Räume für Kinder werden. Haben Sie ein Beispiel? In der Kinderzahnarztpraxis Kinderlieb in Hamburg geht es nicht allein um Kinderzähne, sondern darum, die Kinder bestärkt und angstfrei durch die Behandlung zu begleiten. Zentraler Leitfaden für den Entwurf war die Frage, wie Gestaltung helfen kann, Angst zu nehmen und Kinder in ihrem Vertrauen zu stärken. Eine Ausgewogenheit zwischen Bewegungsangeboten und Rückzugsmöglichkeiten, ergänzt durch Sound- und Lichteffekte, bietet Kindern vielfältige Optionen, ihre Angst zu überwinden. Spielpodeste dienen als Bühne und Leseecke, ein Turm als temporärer Rückzugsort mit integrierter Klanghöhle. Gucklöcher in verschiedenen Höhen erlauben die Beobachtung des Praxisgeschehens aus einem Versteck. Damit Anspannung abgebaut werden kann, laden der Spielturm und der Naturholzbaum im Wartezimmer zur Bewegung ein. Für Kinder sind die Kletterbäume eine willkommene Herausforderung, gleichzeitig können sie auf den oberen Ästen die Perspektive der Erwachsenen einnehmen. Schon im Eingangsbereich zeigt sich, wer die Hauptpersonen sind. Weil sich der Empfangstresen zu einer Seite absenkt, begegnen Kinder der Sprechstundehilfe auf Augenhöhe. Durch die Aufhebung solcher Sichtbarrieren, denen Kinder im Alltag immer wieder ausgesetzt sind, entsteht ein erstes Willkommenssignal. Diese Botschaft wird in die Warte- und Behandlungsräume weitergetragen bis hin zum eigenen kleinen Kinder-WC. Was muss sich ändern, damit die Bedürfnisse von Kindern mehr als eine Nebenrolle spielen? Wir müssen aufhören, Kinder als „kleinen Erwachsenen“ zu betrachten – sie haben eigene Bedürfnisse, Sichtweisen und Rechte. In der Architektur heißt das: Wir brauchen kindgerechte Maßstäbe, flexible Grundrisse, durchdachte Außenräume. Bildungseinrichtungen dürfen keine Funktionsbauten sein, sondern inspirierende Lebensorte. Und im Wohnbau sollte Kindsein kein Störfaktor, sondern ein Gestaltungsmotor sein. Denn: Wer für Kinder baut, baut für die Zukunft. (kakü) Wie wollen wir wohnen? | 5 Nathalie Dziobek-Bepler ist Architektin, Gründerin und Geschäftsführerin des Berliner Architekturbüros baukind. Sie studierte in Dortmund und Bochum Architektur und arbeitete fünf Jahre als Architektin in New York. Seit 2010 entwickelt sie mit ihrem TeamRäume mit demAnspruch, die Kinder ernst zu nehmen. Ihre Arbeit bewegt sich an der Schnittstelle von Architektur, Innenarchitektur, Pädagogik und Design – mit dem Ziel, Umgebungen zu schaffen, die Kinder in ihrer Entwicklung stärken und ihnen Raum zur Entfaltung geben. „Unsere Stärke liegt in der Gestaltung – ganzheitlich, kindgerecht und mit einem feinen Gespür für Atmosphäre“, sagt Dziobek-Bepler, selbst Mutter von drei Kindern. Dieses Wissen gibt sie weiter als Gastprofessorin für Spiel- und Lerndesign an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle. www.baukind.de Gewinnspiel! In Ihrem Buch „Räume für Kinder“ zeigt Dziobek-Bepler, wie Architektur und Innenraumgestaltung die Entwicklung von Kindern fördern kann. Jovis, 35 Euro. Jovis stellt drei Exemplare zur Verfügung. Teilnahme via Mail an Gewinnspiel@ mainkind-magazin.de, Stichwort: „Räume für Kinder“. Einsendeschluss: 15.10.2025 Macht mit!
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