MainKind | Ausgabe 2/2022

º Interview Bild: Pixabay Jeder braucht einen Rückzugsort Herr Reichl, Eltern möchten, dass sich ihre Kinder wohl fühlen in den heimischen vier Wänden und dass die Kinderzimmer perfekt ausgestattet sind. Achten Kinder überhaupt auf Räume, was nehmen sie wahr? Kinder nehmen die Umwelt unbewusst, aber nicht weniger intensiv wahr als Erwachsene. Damit ist der Einfluss der Räume auf sie sehr direkt und unmittelbar. Raumbedingte Konflikte werden von Kindern nicht als solche erkannt, so dass sie meinen, selbst am Konflikt schuld zu sein. Gerade die Wohnung der frühen Kindheit ist enorm wichtig, weil Kinder ja nichts anderes kennen und die Situation nicht hinterfragen können. Wie sehen Wohnung, Haus oder auch das Kinderzimmer aus, in dem sich Alt wie Jung geborgen und sicher fühlen können? Jeder Mensch hat eine Unmenge an unterschiedlichen Bedürfnissen und die Bedürfnisse von Alt und Jung sind natürlich sehr unterschiedlich. Für Kinder ist es beispielsweise wichtig, dass sie nach und nach die Welt erschließen können, sie sozusagen erobern. Kinder wollen die Welt spielerisch entdecken und damit die eigenen Fähigkeiten entwickeln. Dieser Explorationsdrang wird jedoch stark gebremst, wenn sich das Kind nicht sicher und geborgen fühlt. In welcher Altersspanne ist diese Entwicklung zu beobachten? Besonders im Alter von zwei bis fünf Jahren brauchen Kinder den ständigen Wechsel von Entdecken und Rückversichern. Sie brauchen also die Möglichkeit, in der Nähe der Mutter oder des Vaters zu spielen, um sich immer wieder im sicheren Hafen erholen zu können. Folglich werden sie im Gemeinschaftsbereich, dem Familienbereich spielen wollen. Am besten funktionieren Grundrisse mit einem Familienzentrum, wo Kochen, Essen, Spielen und Zusammensein Platz haben, aber gleichzeitig auch ein Rückzugsbereich besteht. Dazu würde sich das Wohnzimmer gut eignen. Offene Grundrisse sind meist nicht familiengerecht. Worauf kommt es bei der Ausstattung der Räume an? Ein ganz wichtiger Punkt ist die Naturnähe. Beinahe die gesamte Menschheitsgeschichte haben die Menschen sehr viel Zeit in der Natur verbracht. Durch die Kultur wird diese Liebe zur Natur oft überdeckt. Gerade die moderne Architektur zeichnet aus, eine naturferne Formensprache zu bevorzugen. Diese trendige und kühle Architektur tut dem Menschen nicht gut, weil wir durch naturnahe Gestaltung Stress verarbeiten. Dies gilt für Jung und Alt. Im Kinderzimmer sollte es vielerlei Naturerlebnisse geben und dies für alle Sinne. Für Kinder ist vor allem das Begreifen mit den Händen und Füßen wichtig. Ein warmer, nicht versiegelter Holzboden ist optimal für Kinder, die viel am Boden spielen. Und wie sieht es aus mit der Aufteilung der Zimmer? Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Kinder bis zu etwa zehn Jahren wollen meist lieber gemeinsam mit den Geschwistern in einem Zimmer schlafen. Das gibt Geborgenheit und Sicherheit. Jugendliche brauchen dagegen unbedingt ein eigenes Zimmer – als persönlichen Raum und mit der Möglichkeit über die Gestaltung die eigene Identität zu stärken und herauszubilden. Und wie ist es um die Eltern bestellt? Auch die Eltern brauchen einen persönlichen Platz, eine persönliche Nische genauso wie einen Bereich für die Familie und auch für das Zusammensein als Paar. Jedes Bedürfnis braucht einen gewissen Platz, eine Zone, daher sollte es Plätze und Zimmer mit Mehrfachnutzungen geben. Das Wohnzimmer kann für das entspannte Zusammensein der Familie dienlich sein, aber genauso braucht es noch eine Ecke im Wohnzimmer als persönliche Nische für eine Person. 4 | Perfekt ausgestattet

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